Die große Heuchelei

Eine Mischung aus politischen Statements und Berichten von persönlichen Schicksalen bietet Jürgen Todenhöfer in seinem neuen Hörbuch „Die große Heuchelei“. Wen Todenhöfer als Heuchler entlarven will, macht der Untertitel deutlich: „Wie der Westen seine Werte verrät“.

Besonders neu oder besonders originell ist an diesem Teil seines Buches nur wenig. Der Unterschied zu anderen Sachbüchern ist nur, dass Todenhöfer von vorneherein eine moralische Verurteilung vornimmt, die insgesamt allerdings sehr pauschal ausfällt.

Seine zentrale These ist, dass das deutsche Volk über die wahren Kriegsgründe belogen wird. Dabei scheint Todenhöfer davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Bundesbürger tatsächlich glaubt, dass Kriege nur aus humanitären Gründen geführt werden.

Hier unterschätzt der ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU aber seine Mitbürger wohl fulminant: Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der nicht zustimmt, dass Rohstoffe oder geostrategische Überlegungen eine militärische Intervention begünstigen. Warum sonst sagte ein früherer Verteidigungsminister, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt? Natürlich geht es immer auch um Interessen.

Man könnte dies als Naivität abtun und darüber hinwegsehen, wenn es nicht bei Todenhöfer immer wieder zu einer Schieflage führen würde, zu einer Einseitigkeit, die problematisch ist. So behauptet Todenhöfer, Horst Köhler wäre als Bundespräsident wiedergewählt worden, wenn er nicht in einem Radiointerview von „außenpolitischen Interessen Deutschlands“ gesprochen hätte. Dass die Diskussion hier aber vielmehr darum ging, inwiefern die Auslandseinsätze der Bundeswehr vom Grundgesetz gedeckt sind (und inwiefern sie gedeckt sein müssen), erwähnt Todenhöfer nicht.

Vom Syrienkrieg sagt Todenhöfer, dass er leicht vermieden hätte werden können. Der „ungerechteste Friede wäre besser gewesen“, weiß er. Als ob man das im Vorhinein hätte sagen können – wer hätte schon vermutet, dass der Krieg jahrzehntelang dauern wird?

Eine große Schlagseite hat das Hörbuch auch in Blick auf die Schuldfrage. Zumeist wird den USA der Schwarze Peter zugeschoben. Sie nehmen keine Verhandlungsangebote an, haben keinerlei Strategie im Nahen Osten, verschleiern zivile Todesopfer bei Angriffen, haben überhaupt keine Ahnung vom Nahen Osten.

Todenhöfers Kritik an der Berichterstattung im Westen mag richtig sein. Manches wird unter den Teppich gekehrt, manches wenn überhaupt nur am Rande berichtet. Aber ist darauf die Antwort, ebenso einseitig dem Westen pure Scheinheiligkeit vorzuwerfen? Todenhöfer bemüht sich redlich, die Namen der zivilen Opfer zu nennen – im Nahen Osten. Müsste er nicht ebenso die Namen westlicher Opfer nennen?

In vielem, was Todenhöfer sagt, kann ich ihm im Grunde zustimmen. Kriege sind keine einfache und oft nicht einmal eine praktikable Möglichkeit der Konfliktlösung. Kriege haben zu viele zivile Opfer. Kriege werden nur am Rande aus humanitären oder anderen ehrenhaft anmutenden Gründen geführt.

Was aber bei Todenhöfer herausgekommen ist, ist eine Fülle an Abenteuergeschichten über den Besuch von Kriegsgebieten, eine unglaubliche Pauschalisierung, keinerlei Differenzierung – Pazifismus wird quer durch alle Zeiten und Orte proklamiert.

 

Jürgen Todenhöfer: 
Die große Heuchelei. 
Wie der Westen seine Werte verrät 
Hörbuch Hamburg 2019 
ISBN 9783957131638

Das Prinzip des Terrors

Tass Saadas Buch „Das Prinzip des Terrors“ ist eine Mogelpackung. Denn Denkweise und Anziehungskraft von Terrorismus – wie es der Titel verspricht – ist nur ein ganz kleiner Teil von dem, worum es im Buch geht. Vor allem will Tass Saada aufzeigen, wie der Terrorismus überwunden werden kann.

Nun könnte man sagen, dass man Terrorismus nur dann besiegen kann, wenn man weiß, wie Terroristen ticken. Für Saada trifft dies allerdings nicht zu. Er hat ein ganz anderes Rezept zur Überwindung von Gewalt und Hass: Jesus Christus. Jesus Christus? Ja, Jesus Christus – wenn Muslime zu Christen werden, gibt es keinen Terrorismus, sagt Saada. Denn Jesus Christus, der Friedefürst, bringe (anders als Mohammed) den Frieden.

Darüber, dass dadurch das Christentum zu einer friedlichen und friedliebenden Religion verklärt wird, verliert Saada kein Wort. Im ganzen Buch argumentiert Saada, der vom Islam zum Christentum konvertierte, aus christlicher Sicht. Wenn er die Rolle Ismaels für den Islam nicht mithilfe des Korans, sondern der Bibel erläutert, wirkt das etwas befremdlich. Zugleich argumentiert Saada an manchen Stellen etwas widersprüchlich. So betont er, dass Ismael in der Bibel überhaupt nicht schlecht wegkommt, zugleich aber sieht er in der Geschichte von Ismael einen „unbewussten Strom der Verletzung und des Grolls“ /“des Gefühls, dass sie hereingelegt worden sind“.

Dass in dem Buch religiöse Aspekte im Vordergrund stehen, ist leider auch bei der Gewichtung einzelner Themen leicht erkennbar. Was mit Politik zu tun hat, wird schnell abgehandelt und abgehakt, sobald religiöse Aspekte mit hineinspielen wie etwa die Frage, ob Israel das Land von Gott erhalten hat, wird ausführlich argumentiert. Manche theologische Gedanken Saadas wirken auf mich befremdlich. Für mich ist etwa die Aussage Saadas sehr fragwürdig, dass Gott den Terrorismus zulasse, „um sein Volk für seine Verantwortung wachzurütteln“. sie spiegelt aber gut die etwas schlichte Sicht der Dinge, die im Buch immer wieder hervortritt. Interessant dagegen sind vor allem die eigenen Erfahrungen, wenn er etwa darauf eingeht, wie Araber eigentlich ticken, und die persönlichen Erlebnisse, von denen er erzählt – etwa in dem von ihm gegründeten multireligiösen Kindergarten.

„Das Prinzip des Terrors überwinden“ wäre ein schöner Buchtitel gewesen. Aber vielleicht hatte der Verlag Angst davor, den Blick darauf zu wenden, denn dann hätte man ja auch automatisch auf die Rückseite schreiben müssen, wie einfach gestrickt Saada hier argumentiert. Und die Werbung mit dem Schlagwort Terror wäre verpufft. Nichtsdestotrotz bleibt so ein enttäuschter Leser zurück.

Tass Saada/Dean Merrill:
Das Prinzip des Terrors.

fontis-Verlag, 2016,
ISBN 9783038480945